Das OGM auf Reisen
Konzertreisen ins europäische Ausland hat das OGM seit seiner Gründung immer wieder unternommen: Polen, Ungarn, Großbritannien, Italien, Österreich, Frankreich und Russland waren bisher die Ziele.
Es ist eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe, ein volles Sinfonieorchester mit 60 Mitreisenden in einem Bus zu verstauen. Schon Wochen vorher wird der Bus vermessen, es wird überlegt, wo die drei Kontrabässe, die fünf Celli, das Kontrafagott - und ach - vor allem die drei Kesselpauken ihren Platz finden. Zum Glück werden Harfe, Tuba und manchmal auch Kontrabässe am Konzertort engagiert. |
„Nehmt nicht so große Koffer mit“, war die Devise, die der Vorstand vorher ausgab, bis zu dem Zeitpunkt, als wir ein Busunternehmen fanden, das auch einen Anhänger mitnahm. Wegen der Geschwindigkeitsbegrenzung eines solchen Gespanns war die Fahrtzeit zwar etwas länger, aber den nicht benötigten Stauraum konnten wir dann auf der Rückfahrt mit reichlich Weinkisten auffüllen, damals in Frankreich, in Angers im Loire-Tal.
Einmal jedoch, 1993 nach Italien, fuhren wir gemütlich mit dem Nachtzug. Die großen Instrumente wurden dabei in einem angemieteten Laster über die Alpen transportiert.
Unsere Reisen:
1987 Stettin – Thorn – Posen
1989 Erfurt
1989 Krakau – Warschau – Posen
1990 Wittenberg
1991 Budapest
1993 Florenz
1996 Cheltenham – Gloucester – Oxford
1998 Selby Abby – Oxford – Reading
2001 Cheltenham – Oxford – Wincester
2003 Mailand – Lecco
2005 Angers
2008 Wien
2011 Paris
2013 Cahors – Montauban
2015 Sankt Petersburg
2024 València
Einmal jedoch, 1993 nach Italien, fuhren wir gemütlich mit dem Nachtzug. Die großen Instrumente wurden dabei in einem angemieteten Laster über die Alpen transportiert.
Unsere Reisen:
1987 Stettin – Thorn – Posen
1989 Erfurt
1989 Krakau – Warschau – Posen
1990 Wittenberg
1991 Budapest
1993 Florenz
1996 Cheltenham – Gloucester – Oxford
1998 Selby Abby – Oxford – Reading
2001 Cheltenham – Oxford – Wincester
2003 Mailand – Lecco
2005 Angers
2008 Wien
2011 Paris
2013 Cahors – Montauban
2015 Sankt Petersburg
2024 València
Die erste gemeinsame Reise führt uns im Herbst 1987 nach Polen.
Szczecin, Torun, die Partnerstadt Göttingens, und Poznan sind die Ziele. Christian Hammer, unser Dirigent, hat ein Mozartprogramm ausgesucht: die Ouvertüre zu Lucio Silla, das Klavierkonzert G-Dur KV 453 und (im Wechsel) das Flötenkonzert D-Dur, im zweiten Teil des Konzertes die Prager Sinfonie. Die Solisten kommen aus den eigenen Reihen, Christian Hammer spielt selbst Klavier, Bettina Lange-Malecki spielt im Flötenkonzert den Solopart. Da ihm Klavierstühle oft zu groß und zu hoch sind, hat Christian Hammer sein kleines blaues Stühlchen mit dabei. Er sieht aus, wie ein Kinderstuhl. Wenn er daran am Flügel sitzt, hat er eine Haltung, die derjenigen von Glenn Gould ähnelt. Und – wie Fotos belegen – eignet sich der Kinderstuhl auch als Tritt, wenn man mal die Übersicht haben will. Im Toruner Rathaus gibt es einen Empfang (mit Rotwein und den obligatorischen, leckeren Kathrinchen). In Poznan dann sind wir zu Gast in einer staatlichen Musikschule, in der man sich wundert, dass im Westen die Musikausbildung privat organisiert ist und zu solch hervorragenden Ergebnissen führen kann – und das alles freiwillig. Ein anderer Bewunderer unseres Orchesters ist auch unser Busfahrer, Herr Neddermeyer. Er hat extra einen schwarzen Anzug mitgenommen und verpasst keine Probe und kein Konzert. Er wird uns noch öfter auf unseren Reisen den Bus fahren.
1989 machen wir eine Wochenendfahrt nach Erfurt,
die durch private Kontakte zustande kommt. Ein kleiner Chor aus Erfurt lädt das Orchester ein, in der Kirche des Augustinerklosters zu spielen. Wir wohnen privat. Mit einigen PKW’s sind wir unabhängig voneinander unterwegs und stellen uns an der innerdeutschen Grenze den Kontrollen. Christine erinnerte sich noch, wie ein Grenzer die Geschäftsfrau Rike fragt: „Na, was für ein Geschäft haben Sie denn?“ – Hoffentlich sagt sie jetzt nichts vom Drachenladen! Gab es doch vor einigen Monaten einen Fluchtversuch mit Drachen. – „Kinderspielzeug.“ – Ach, der Verdacht der Unterstützung eines Fluchtversuchs war abgewehrt. Irgendetwas kommt den Grenzbeamten aber doch merkwürdig vor, zumindest die Instrumentenkästen sind ja auffällig. „Sie wissen, doch, dass Sie in der DDR nicht auftreten dürfen?“. Ja, das wissen wir, deshalb ist der Auftritt in Erfurt auch nirgends plakatiert, sondern - als Gottesdienst getarnt - wird die Information in der Gemeinde von Mund-zu-Mund weitergegeben. Nur am Kirchenportal hängt am Sonntag ein handgeschriebener Hinweis, auf braunem Packpapier geschrieben, Plakat mag man es gar nicht nennen. Wir spielen mit Bettina Lange-Malecki die h-moll Suite von Johann Sebastian Bach. Ein Gegenbesuch des Chores wird erst nach der Grenzöffnung möglich, der Chor singt in der St. Johanniskirche Rosdorf und wird anschließend vom OGM mit einem großen Büfett gefeiert. Manche der Kontakte zwischen Mitgliedern des Chores und des Orchesters waren noch Jahre nach dem Besuch in Erfurt lebendig.
die durch private Kontakte zustande kommt. Ein kleiner Chor aus Erfurt lädt das Orchester ein, in der Kirche des Augustinerklosters zu spielen. Wir wohnen privat. Mit einigen PKW’s sind wir unabhängig voneinander unterwegs und stellen uns an der innerdeutschen Grenze den Kontrollen. Christine erinnerte sich noch, wie ein Grenzer die Geschäftsfrau Rike fragt: „Na, was für ein Geschäft haben Sie denn?“ – Hoffentlich sagt sie jetzt nichts vom Drachenladen! Gab es doch vor einigen Monaten einen Fluchtversuch mit Drachen. – „Kinderspielzeug.“ – Ach, der Verdacht der Unterstützung eines Fluchtversuchs war abgewehrt. Irgendetwas kommt den Grenzbeamten aber doch merkwürdig vor, zumindest die Instrumentenkästen sind ja auffällig. „Sie wissen, doch, dass Sie in der DDR nicht auftreten dürfen?“. Ja, das wissen wir, deshalb ist der Auftritt in Erfurt auch nirgends plakatiert, sondern - als Gottesdienst getarnt - wird die Information in der Gemeinde von Mund-zu-Mund weitergegeben. Nur am Kirchenportal hängt am Sonntag ein handgeschriebener Hinweis, auf braunem Packpapier geschrieben, Plakat mag man es gar nicht nennen. Wir spielen mit Bettina Lange-Malecki die h-moll Suite von Johann Sebastian Bach. Ein Gegenbesuch des Chores wird erst nach der Grenzöffnung möglich, der Chor singt in der St. Johanniskirche Rosdorf und wird anschließend vom OGM mit einem großen Büfett gefeiert. Manche der Kontakte zwischen Mitgliedern des Chores und des Orchesters waren noch Jahre nach dem Besuch in Erfurt lebendig.
Im Herbst 1989 sind wir wiederum in Polen.
Dieses Mal aber sind wir im südlichen Teil des Landes unterwegs. Konzerte gibt es in Wroclaw (in der Filharmonia), in Kraków (in den berühmten Tuchhallen in der Mitte des Hauptmarktes), in Warzawa (in der großen protestantischen Kirche) und in Poznan (in der Aula des Musiklyzeums). Saskia Daems-Stolzenberg, eine Cellistin aus Göttingen, ist die Solistin im Cellokonzert a-moll von Robert Schumann. Christian Hammer, der uns wieder als Dirigent begleitet, hat außerdem Schumanns Genoveva Ouvertüre und die Sinfonie Nr. 4 mit uns einstudiert. Geprägt wird diese Reise auch von einem Besuch des Lagers Ausschwitz, das für viele Mitreisende einen bedrückenden Eindruck hinterlässt. In Kraków geht es dann gelassener zu: man trifft man sich in den freien Zeiten im Jugendstilcafe oder in den Notengeschäften. Der Zloty mit seinem günstigen Wechselkurs macht viele Einkäufe möglich. Am 4.11. 1989, auf der Rückreise, fahren wir auf der Autobahn durch die DDR an Berlin vorbei, wenige Tage vor der Öffnung der Mauer und der Grenze. Wir hören im Radio, dass 6000 DDR-Bürger die deutsche Botschaft in Prag verlassen haben und in den Westen ausreisen dürfen. Wir dagegen haben mal wieder die Grenzkontrollen zu erdulden: „Alles bitte aussteigen!“ Untersuchung des ganzen Busses nach möglichen Verstecken. Und dann: einer der Grenzbeamten fordert eine Cellistin auf: „Nu, öffnen‘se doch mal den Kasten da!“ --- Wie gut, es ist nur ein Cello drin - und kein flüchtiger DDR-Bürger!
Sommer 1990 ist das Orchester in Wittenberg, einer weiteren Partnerstadt Göttingens.
Persönliche Beziehungen, die durch die neuen Reisemöglichkeiten von DDR-Bürgern in Göttingen geknüpft waren, führen zu einer Einladung nach Wittenberg. Christian Hammer hat als Programm ein Händel Concerto grosso, das Klavierkonzert Nr. 3 von Beethoven (er dirigiert vom Flügel aus) und die Posthornserenade von Mozart ausgesucht. Das Posthorn spielt Helmut Bornschier. Gerade an diesem Wochenende, am 1. Juli 1990, wird die Mark der DDR von der Deutschen Mark als gesetzliches Zahlungsmittel in der DDR abgelöst. Die Schaufenster werden über Nacht neu dekoriert und sind auf einmal bunt und voller neuer Waren. Ein besonderes Erlebnis: wir hören in der Schlosskirche Friedrich Schorlemmer, Bürgerrechtler in den Zeiten der DDR, und auch nach der Wende kritischer Begleiter der gesellschaftlichen Entwicklungen. Im Begleitprogramm führen unsere Kontaktpartner uns durch die heruntergekommenen, zum Teil verfallenen Cranachhöfe, wo sie uns ihre Pläne zur Renovierung vorstellen, Und sie zeigen uns die völlig verwilderten, überwucherten Gartenanlagen in Wörlitz, die aber auch in dieser Gestalt genau so beeindruckend sind wie heute in ihrem gepflegtem, akkurat beschnittenem Zustand.
Persönliche Beziehungen, die durch die neuen Reisemöglichkeiten von DDR-Bürgern in Göttingen geknüpft waren, führen zu einer Einladung nach Wittenberg. Christian Hammer hat als Programm ein Händel Concerto grosso, das Klavierkonzert Nr. 3 von Beethoven (er dirigiert vom Flügel aus) und die Posthornserenade von Mozart ausgesucht. Das Posthorn spielt Helmut Bornschier. Gerade an diesem Wochenende, am 1. Juli 1990, wird die Mark der DDR von der Deutschen Mark als gesetzliches Zahlungsmittel in der DDR abgelöst. Die Schaufenster werden über Nacht neu dekoriert und sind auf einmal bunt und voller neuer Waren. Ein besonderes Erlebnis: wir hören in der Schlosskirche Friedrich Schorlemmer, Bürgerrechtler in den Zeiten der DDR, und auch nach der Wende kritischer Begleiter der gesellschaftlichen Entwicklungen. Im Begleitprogramm führen unsere Kontaktpartner uns durch die heruntergekommenen, zum Teil verfallenen Cranachhöfe, wo sie uns ihre Pläne zur Renovierung vorstellen, Und sie zeigen uns die völlig verwilderten, überwucherten Gartenanlagen in Wörlitz, die aber auch in dieser Gestalt genau so beeindruckend sind wie heute in ihrem gepflegtem, akkurat beschnittenem Zustand.